ISMPS

INSTITUT FÜR STUDIEN DER MUSIKKULTUR

DES PORTUGIESISCHEN SPRACHRAUMES


MUSIK IN GLOBALEN PROZESSEN

Mosambik


kulturwissenschaftlich orientierte Musikstudien &

musikwissenschaftlich geleitete Kulturstudien

Kontexte

Südliches Afrika | Ostafrika

e.V.
1968 - Brasilien
1985 - Deutschland



Vorsitz

Prof. Dr. Antonio Alexandre Bispo

Universität Köln


Zu den Kontexten, die am ISMPS Gegenstand von Untersuchungen sind, gehören Ostafrika und das südliche Afrika. Fokussiert wird Mosambik. Die Studien beschränken sich jedoch nicht auf die heutigen nationalen Grenzen dieses ehemaligen portugiesischen Überseegebietes, das seit den 1970er Jahren ein unabhängiger Staat ist. Sie widmen sich der Analyse von Prozessen und sind damit grenzüberschreitend. Aus der Warte der portugiesischsprachigen Kultur- und Musikforschung des ISMPS wird Mosambik als Teil eines Gesamtzusammenhanges von Verbindungen betrachtet, die seit der Ankunft der Portugiesen entstanden sind. Es wird als Knotenpunkt in einem Netzwerk verstanden, als ein Referential zum Studium von Konnexionen und Interaktionen.


Gegenstand der Studien: Musik in globalen Kulturprozessen


Die Aufmerksamkeit wird auf das Zusammenwirken verschiedener Strömungen und Wege der Übertragungen, auf Rezeptionen, Verarbeitungen und Weitervermittlungen gerichtet. Dabei wird die Rolle und die Funktion der Musik untersucht. In historischer Sicht treten die Verkehrswege an Land und auf See, die zugleich Handelswege waren, in den Mittelpunkt der Studien. Sie ermöglichten die Herstellung von Strukturen, die Präsenz und Macht sicherten, die Errichtung von Festungen, Häfen, Niederlassungen und Städten sowie urbane Entwicklungen.


Die Verkehrs- und Handelsrouten waren auch Kommunikationswege, Kanäle zur Vermittlung von Informationen, Auffassungen, Kultur- und Musikpraktiken. Von Mosambik als Referenz aus werden Prozesse betrachtet, die angrenzende Staaten wie Südafrika oder die gegenüberliegende Insel Madagaskar betreffen, aber auch Verbindungswege zu anderen Weltregionen, allen voran der indischen Sphäre, da in der Vergangenheit Goa das Zentrum von politischen, administrativen, kirchlichen und kulturellen Beziehungen war. Durch diese Wege kamen die Missionare, die durch systematische Indoktrinationen Kulturwandlungen maßgeblich verursachten.


Die Studien des ISMPS beschränken sich aber nicht auf die Geschichte. Die historischen Untersuchungen dienen als Grundlagen für die Analyse aktueller Zustände und Entwicklungen.

1966 | Entwicklung der Studien


Mosambik trat Mitte der 1960er Jahre in den Fokus der Volkskunde in Brasilien. Die Studien entwickelten sich im Rahmen der Bestrebungen zur theoretischen Erneuerung der Folklore-Forschung in portugiesischer Sprache und als Vorbereitung für die Etablierung des Fachbereichs Volkskunde/Ethnomusikologie auf Hochschulebene. Mosambik wurde vor allem in Kursen im Museum für Volkskunst und -techniken der Brasilianische Gesellschaft für Folklore angesprochen.


Seit langem waren die als „Moçambique“ bezeichneten Spiele des Brauchtums des Jahreskreises Gegenstand zahlreicher volkskundlicher Studien. Dabei blieb die Bezeichnung dieser Traditionen enigmatisch. Als solche werden in Brasilien Gruppen bezeichnet, die Kampfspiele zum Anlass kirchlicher Feste inszenieren. In ihren Erscheinungs- und Darstellungsweisen lassen sie trotz ihrer Bezeichnung unmissverständlich ein Weiterleben europäischen Brauchtums erkennen. Überlegungen über Sinn, Funktion und Herkunft der Moçambique-Tradition wurden anlässlich von Aufführungen bei Folklore-Festivals in São Paulo in den 1960er Jahren angestellt. Dabei wurde offensichtlich, dass die Darstellungen in einem solchen Rahmen wegen ihrer ernsten, religiösen Bezüge ungeeignet waren. Die Moçambique-Gruppen stellen die friedliche Vereinigung zweier Gruppen dar, die sich zuvor bekämpft hatten. Sie tragen die Flagge eines Heiligen, meist des schwarzen Heiligen „Benedikt der Mohr“ (1526 - 1589), was einen Bezug zu missionarischen bzw. katechetischen Praktiken bei Afrikanern früherer Jahrhunderte nahelegt. Bei volkskundlichen Studien, die in traditionsreichen Städten des Paraíba-Tales im Staat São Paulo durchgeführt wurden, wurde diesem religiösen Aspekt des Festbrauchs in seinen Bezügen zu den Festen des Jahres Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Bezüge zum Kirchenjahr und somit zum Naturjahr der nördlichen Hemisphäre widerlegen die Annahme einer Herkunft der Tradition aus Mosambik selbst.


Das Interesse für Mosambik als Land und seine ethnischen Gruppen wurde vor allem durch Studien des Musikinstrumentariums anderer tradierter Spiele des katholischen Brauchtums geweckt. Eine Marimba-Debatte prägte die Auseinandersetzungen über Musikinstrumente in volkskundlichen Kreisen Mitte der 1960er Jahre. Sie entfachte sich im Rahmen von volkskundlichen Arbeiten bei Fischern an abgelegenen Orten der Küste von São Paulo, die von einer Regierungkommission angeregt und unterstützt wurden. Für die Marimba von Ilha Bela wurde von einigen Volkskundlern eine Herkunft aus Mosambik vermutet. Das Instrument erscheint jedoch im Rahmen von Traditionen, die sich in ihrer Bezeichung auf das alte Kongo-Reich beziehen. In ihrer Symbolik kommen aber auch christliche Auffassungen zum Ausdruck. Sie bezieht sich auf das Kirchenjahr und lässt das Weiterleben europäischen Brauchtums erkennen. Die Verwendung von afrikanischen Instrumenten gehörte zu den Attributen, die diese sinnbildlichen Darstellungen verdeutlichen, und verweist auf Methoden der Missionstätigkeit.


Das Interesse der volkskundlichen Studien richtete sich in den 1960er Jahren zunehmend auf den Kulturwandel unter dem Leitbegriff Akkulturation. Diese Wendung in der Volkskunde entsprach den Bestrebungen zur Erneuerung der Kultur- und Musikstudien durch eine Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Prozesse, was 1968 zur Gründung des Forschungszentrums für musikologische Forschungen der Gesellschaft Nova Difusão für prozessorientierte Studien in Theorie und Praxis führte.


Die Debatte über eine wenig präzise verstandene Akkulturation Bantu sowie über Mosambik wurde auf Hochschulebene bei der Einführung des Faches Ethnomusikologie an der Fakultät für Musik und Kunsterziehung des Musikinstituts São Paulo 1972 fortgeführt und vertieft. Sie erfolgte im Rahmen der Studieneinheit zur Musikafrikanistik in ihren Beziehungen zu Brasilien. Die ethnologische und insbesondere musikethnologische Literatur wurde besprochen. Dabei spielten die Afrika-Studien französischer Autoren durch die Beziehungen zum „Musée de l’Homme“ von Paris eine leitende Rolle. In Fortsetzung der Marimba-Debatte wurde die Aufmerksamkeit auf das Musikinstrumentarium Mosambiks gelenkt, vor allem auf Xylophone (Valimba, Timbila), aber auch Brettzithern (Bangwe), Lamellophone (shitata), einsaitigen Röhrengeigen (mugole, chikwèsa, tagare) sowie auf Trommeln.


Wie in anderer Kontexten wurden die Studien zu Mosambik von der Aktualität der politischen Konflikte in Afrika beeinflusst. Migranten europäischer Abstammung aus Mosambik, die nach Brasilien kamen, vermittelten Informationen über Institutionen, Kultur- und Musikleben von Lourenço Marques (heute Maputo) und anderen Städten in der krisenhaften Situation. Vor allem Geistliche, die auch in Mosambik tätig waren, gehörten zu den wichtigsten Informanten. Enge Beziehungen entwickelten sich in kirchlichen Kreisen, die in beiden Ländern die Erneuerungsimpulse des II. Vatikanischen Konzils auch hinsichtlich einer pastoralen Musik in portugiesischer Sprache für kommunitäre Kultfeiern verwirklichen wollten. Die brasilianische Theologie der Befreiung wurde in Mosambik rezipiert.


1973/74 fanden in Portugal luso-brasilianische Besprechungen statt, bei denen die Entwicklungen in Afrika im Mittelpunkt standen. Sie fanden in Beira Baixa statt, eine Region, aus der Pêro da Covilhã (1450 Convilhã - 1530 Äthiopien) stammte, der 1497 im Auftrag des portugiesischen Königs Afrika durchreiste und Sofala erreichte.

1975 | Quellenstudien


Die Vorarbeiten, die zur Gründung des ISMPS führten, setzten 1975 durch eine Arbeitsgruppe ein, die auf Anregung von Konferenzen in Brasilien und Portugal mit Sitz in Deutschland gebildet wurde. Sie hatte als Ziel, angesichts der neuen weltpolitischen Situation in Portugal und in dessen vormaligen überseeischen Gebieten Grundlagen für die Entwicklung und Institutionalisierung einer adäquaten Musikkulturforschung in den lusophonen Ländern zu schaffen. Hierfür wurden die historischen Dokumente und die Missionsliteratur nach Angaben von Relevanz für Kultur- und Musikstudien durchgesehen und kontextgerecht untersucht. Die Arbeiten erfolgten in Bibliotheken, Archiven und Museen verschiedener Länder, u.a. im Afrika-Museum in Tervuren, Belgien, sowie in Studienzentren von Ordensgemeinschaften.


Besprochen wurden zuerst die Quellen und die Literatur zu Vasco da Gama (1469-1524), der 1498 Mosambik erreichte. Aus der Missionsliteratur wurde die Aufmerksamkeit auf die Angaben zum Jesuiten André Fernandes SJ geleitet, der von Kampfspielen und Tänzen in Mosambik berichtete. Hinweise auf Marimba und Mbira im Werk Ethiopia Oriental des Dominikaners Fr. João dos Santos OP (1564) fanden besondere Beachtung. Besprochen wurden die Notizen über die Kafres als Musiker im Hof von Quiteve, über die ambira, die die Europäer beeindruckte, welche sie gar mit Orgel und Cembalo verglichen. Diskutiert wurden auch die Hinweise auf Musik, Kult- und Festpraktiken in dem Bericht über die Reise von J. Nunes Barreto als Bischof von Goa und Patriarch von Äthiopien 1556. Dort wird die Musikausübung auf den Schiffen dokumentiert, die zwischen Goa und Mosambik verkehrten. Beachtet wurden auch die ersten Angaben über die Militärmusikpraxis in den Festungen von Sofala und Mosambik. Von allen Angaben in den Quellen erlangten wohl am meisten Bedeutung diejenigen, die von der Missionsreise von Pe. Gonçalo da Silveira nach Tongue und Monomotapa berichten, da sie die Begleitung von solchen Expeditionen ins Landesinnere durch musizierende Menschen bezeugen. Sie verweisen auch auf die Bedeutung des Monomotapa als Herrscher eines nach ihm benannten Gebietes in Zambezi und Limpopo (Simbabwe). Hinweise auf Praktiken von islamisierten Afrikanern, die von den Europäern als magisch kritisiert wurden – „emgangas mouros“ – erlangten Bedeutung für historisch orientierte Studien von Kultpraktiken. Die Quellen bieten auch Angaben zur Symbolik der Trommel und zur Anwendung von Instrumenten bei Eidesleistungen. Vor allem bieten sie die ersten der Nachwelt überlieferten Gesangstexte aus Mosambik.


1979 | Ost- und Zentralafrika-Studien


Die Studien zu Ost- und Zentralafrika der Arbeitsgruppe zur Entwicklung der portugiesischsprachigen Kultur- und Musikforschung wurden in Köln durch die Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und Ruanda begünstigt. Ruanda war Forschungsgebiet von Prof. Dr. Robert Günther, Musikethnologe der Universität Köln. Zugleich wurde Kenia am Institut für Völkerkunde der Universität Gegenstand von Seminaren. 1975 und 1976 fanden Besprechungen im Afrika-Museum in Tervuren statt, wobei vor allem das ehemalige Belgisch Kongo (Zaire, Demokratische Republik Kongo) im Mittelpunkt der Studien stand. Durch die Zusammenarbeit mit dem Musikkonservatorium in Brüssel wurde die Aufmerksamkeit auf afrikanisches Musikinstrumentarium und Fragen zur symbolischen Organologie gerichtet.


Die gegenwartsbezogenen Religionsstudien zu Mosambik erfolgten im Rahmen der Arbeiten der musikethnologischen Sektion des 1977 gegründeten Instituts für hymnologische und musikethnologische Studien. Sie standen im Zeichen der Verwirklichung der Weisungen des II. Vatikanischen Konzils und wurden in Zusammenarbeit mit Geistlichen, die in den afrikanischen Ländern wirkten, sowie mit Missiologen durchgeführt. 1979 wurde Zentral- und Ostafrika Thema eines Internationalen Kongresses für Kirchenmusik, der in Bonn und Köln stattfand. An ihm nahmen Vertreter der Kirche sowie des Kultur- und Musiklebens Afrikas teil. Von der Seite der brasilianischen Kultur- und Musikforschung wurde in Fortsetzung der vorherigen Besprechungen in Tervuren und unter Einbeziehung der Botschaft von Zaire in Bonn und in Zusammenarbeit mit der Bibliothek des Missionsinstituts von St. Augustin eine Erhebung der Quellen und der Literatur zu Tendenzen des Denkens und der Praxis vorgenommen. Auffassungen u.a. von Authentizität oder Négritude wie auch Vorgehensweisen wie Adaptation, Akkomodation, Inkulturation, Indigenisation u.a. wurden diskutiert.


1981 | Ethnologie und  Missiologie in der Kulturforschung


Die Teilnehmer aus westafrikanischen Ländern und Brasilien am Kongress für Ost- und Zentralafrika stellten die Notwendigkeit fest, bei den Debatten über Afrika die Kulturprozesse, die seit der Entdeckungszeit entfacht wurden, nicht unberücksichtigt zu lassen. Aus diesem Grunde wurde von Regierungsinstanzen und Universitäten ein internationales Symposium 1981 in São Paulo veranstaltet, das eine Reihe kultur- und religionswissenschaftlicher Tagungen eröffnete. Es wurde von Besprechungen in mehreren Staaten Brasiliens und in Portugal vorbereitet. Beim ersten Tag des Symposiums wurden in der historischen Stadt São Luís do Paraitinga Festtraditionen dargestellt und diskutiert, die auf Mosambik und das alte Kongo-Reich hinweisen. Dabei wurde die Rolle dieser Spiele im Rahmen der Missionierungen und Katechese in der Kolonialzeit hervorgehoben. Die Beziehungen zwischen diesen tradierten Darstellungen verwiesen trotz aller Vielfalt auf Einheitliches hin, das durch den Bezug zum Kirchenjahr begründet ist. Der Stand der Moçambique-Forschung wurde anschließend bei einem Kolloquium im Museum für Folklore São Paulos von brasilianischen und europäischen Musikethnologen besprochen. Dabei wurde ein Projekt zur Zusammenarbeit mit dem Institut für vergleichende Musikwissenschaft der Freien Universität Berlin entworfen.


1989 | Traditionen und Synkretismus


1988 wurde das Thema Christliche Traditionen und Synkretismus Gegenstand eines Symposiums, das in Bonn und anderen Städten mit Unterstützung von ADVENIAT stattfand. An dieser vom ISMPS initiierten Tagung wirkten u.a. die Gesellschaft für die afrikanischen Staaten portugiesischer Sprache, die Deutsch-Brasilianische Gesellschaft sowie das Institut für hymnologische und musikethnologische Studien der CIMS mit. Ausgangspunkt der Überlegungen war erneut die Beziehung der als Moçambique bezeichneten Traditionen in Brasilien zur Verehrung des hl. Benedikt „der Niger bzw. Mohr“ (1524-1589), der von äthiopischer Abstammung in Sizilien geboren wurde. Der Sinngehalt dieses Kultes in seiner Beziehung zu Afrika, zur Sklaverei und zu Gedanken der Erlösung wurde unter verschiedenen Aspekten betrachtet. Zur Sprache kam vor allem die Beziehung der Verehrung zu Kultpraktiken, die als synkretistisch gelten. In der Umbanda Brasiliens wird der hl. Benedikt vor allem mit dem Lichtarchonten Ossain in Verbindung gebracht. Diskutiert wurde die Beziehung des Festes des Heiligen am 4. April zu den Frühlingszeiten des Naturjahres in der nördlichen Hemisphäre und somit zu antiken Grundlagen der Vorstellungen und deren Darstellungsweisen. Dabei wurde auch daran erinnert, dass bereits die ersten Missionare religiös-magische Praktiken in Mosambik erwähnen, wie Pe. Gonçalo da Silveira SJ in Tongue und Monomotapa.

1997-2001 | Südliches Afrika in einer Musikgeschichte in globalen Zusammenhängen


Mosambik bietet sich durch seine geographische Lage und seine Geschichte als Forschungsfeld für das Studium der Begegnung und Interaktionen von Kulturen an. In diesem Sinne wurde Mosambik seit den Vorarbeiten zur Gründung des ISMPS im umfassenderen Rahmen seiner Beziehungen zu den anderen Ländern Afrikas, Asiens, Europas und Südamerikas – hier insbesondere zu Brasilien – beachtet. Diese Studien ermöglichten die Berücksichtigung von Mosambik in einem Vorlesungszyklus zum Thema Musik in der Begegnung der Kulturen, der an der Universität Köln 1997-2001 abgehalten wurde.


Die Erörterungen setzten bei den Quellen des 16. und 17. Jahrhunderts an. Die Probleme der adäquaten Lektüre der Texte wurden aufgezeigt. Der Stand der Vasco da Gama-Forschung und die Ergebnisse des internationalen ISMPS-Kolloquiums zum Vasco da Gama-Jahr 1998 wurden berücksichtigt. Es folgten Besprechungen über die Quellen zur Missionsgeschichte. Der Stand der Jesuitenstudien und ihre Problematik wurden behandelt. Fragen der Missionsmethoden der Jesuiten und der Änderung ihrer Einstellung zur Musik aus pragmatischen Gründen standen im Vordergrund der Überlegungen. Die „Eindorfung“ von Indigenen in ihren Auswirkungen auf die Kulturveränderung wurde in Vergleichen zu anderen Regionen der Welt dargestellt. Bei den Sitzungen, die das 18. und das 19. Jahrhundert zum Gegenstand hatten, wurden die Reiseberichte als historische Quellen besprochen. Die internationale Kongo-Konferenz in ihrer Bedeutung für die Kolonialgeschichte Afrikas und ihre Folgen für die Kulturentwicklungen wurden diskutiert. Die Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts und die Auswirkungen der kirchenmusikalischen Gesetzgebungen für Afrika wurden angesprochen. Dabei wurden die Ordensgemeinschaften mit ihren unterschiedlichen Einstellungen und Methoden, allem voran die Mission in Zambezi, betrachtet.


Hinsichtlich des 20. Jahrhunderts wurde u.a. am Beispiel des Orfeão da Beira auf die Rezeption der orpheonischen Chorbewegung in Mosambik in ihren Beziehungen zu den entsprechenden Initiativen in Frankreich, auf den Azoren, in Portugal und Brasilien eingegangen. Von den Blaskapellen in Mosambik wurden u.a. die Banda Militar und die Banda do Ferroviário erwähnt. Dabei wurde das Dekret von 1937 mit seinen Auswirkungen auf die zivilen Kapellen berücksichtigt. Der Círculo de Cultura Musical und die Musikgruppe des Radio Club  sowie das Musikschrifttum in Mosambik am Beispiel von Daniel de Souza waren einige Aspekte des Musiklebens in der Kolonialzeit, die behandelt wurden.


2004 | Musik im lusophonen Afrika und globale Kulturprozesse


Die Jahrtausendwende gab Anlass zu einer Bilanz der Studien zur Musik in Kulturprozessen lusophoner Länder Afrikas, die seit deren Unabhängigkeit 1975 durchgeführt wurden. Die Veröffentlichung einer CD zu Mosambik im Projekt A viagem dos sons anlässlich der Expo 1998 in Lissabon wies auf die Notwendigkeit hin, Entwicklung und Stand der Forschung in einem Seminar zu behandeln. Das Anliegen wurde in der Botschaft von Mosambik in Berlin besprochen. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die offiziellen Initiativen des Zentralarchivs von Mosambik zur Erhaltung des Musikerbes, insbesondere der Musikinstrumente.


2004/05 wurde schließlich das erste Hauptseminar zur Musik im lusophonen Afrika an der Universität Köln in Zusammenarbeit mit dem ISMPS durchgeführt. Ziel war die Vorbereitung einer Studienreise in Länder des lusophonen Afrikas zur Beobachtung aktueller Tendenzen des Kultur- und Musiklebens. Von den besprochenen Publikationen hob sich die Ausgabe 25 der Reihe Oceanos der Nationalkommissison der Entdeckungen Portugals (Ilha de todos – Ilha de Moçambique) hervor. Hinsichtlich religionswissenschaftlicher Fragen wurde die Publikation Mitos, Feitiços e Gentes de Moçambique von Edgar Nasi Pereira (1998) herangezogen.


2002 | Musik in postkolonialen Kulturprozessen


Die Möglichkeit der Anwendung von Ansätzen der Postcolonialism-Studies in Ländern portugiesischer Sprache wurde 2002 in einem internationalen Kongress in Brasilien diskutiert. Diese Debatte wurde in einem Hauptseminar an der Universität Köln anhand ausgewählter Kontexte fortgeführt. In Zusammenarbeit mit dem ISMPS wurden auch Prozesse in nachkolonialer Zeit in Mosambik und die Rolle der Musik darin berücksichtigt. Kulturauffassungen der Zeit vor der Unabhängigkeit und die ideologischen Auffassungen zur Kultur in den darauffolgenden Jahrzehnten wurden diskutiert.


Der Debatte setzte ein mit der kritischen Besprechung des O negro e as formas da inteligência von Daniel de Souza aus dem Jahr 1959, ein Autor der Zeit vor der Unabhängigkeit, der sich auch für Musikfragen interessierte. Die Forderung anderer Autoren nach einer Kultur, die sich nicht nur mit einem bloß passiven Konsum begnügt, sondern aktiv in die soziale und ökonomische Realität eingebunden ist, wurde hervorgehoben. Die Rolle der Institutionen in post-kolonialer Zeit, die Veränderungen kulturpolitischer Auffassungen und die Kulturdiffusion im Dienste der Volksbildung wurden Gegenstand von Überlegungen. Die Blasmusikkapellen und Chöre, die in der Kolonialzeit in Musikleben und -erziehung eine wichtige Rolle spielten, erlebten eine krisenhafte Zeit und einen Bedeutungsverlust. Die Bestrebungen zur Heranbildung eines Publikums für Konzerte europäischer Musik wurden aufgegeben. Wie die Studie Formas de resistência: canções e noções de poder na colónia de Moçambique von Leroy Vail und Landeg White (1984) zeigte, wurden die vor- und die nachkoloniale Zeit politisch gedeutet. Eine besondere Beachtung wurde dem Orquestra Marrabenta gewidmet, das in den Casinos von Lourenço Marques am Ende der kolonialen Epoche populär war. Bei den Besprechungen wurden die Marika und die Marrabenta im revolutionären Maputo sowie die Programme des Rádio Nacional berücksichtigt. Das Aufkommen afro-karibischer Sounds – Calypso und Merengue aus Angola – wurde im politischen Kontext der Zeit besprochen. Der Einfluss des Jazz und zugleich die Bestrebungen zur Wiederbesinnung auf die Kulturwurzeln (Timbila) wurden in Parallelen zu anderen Tendenzen in portugiesischsprachigen Ländern gesehen. Eine besondere Aufmerksamkeit wurde Eduardo Durão Lamussene (CNCD) mit seinen Bezügen zu Brasilien gewidmet.


2003 | Mosambik in der World Music und Globalisierung


Aktuelle Erscheinungsformen der Musikproduktion Mosambiks erfahren internationale Popularität. In der Kategorie World Music des Musikhandels nimmt Mosambik einen bedeutenden Platz ein. Die Popularmusik Mosambiks wurde erstmals 2003/04 auf Universitätsebene im Oberseminar zu World Music an der Universität Bonn berücksichtigt, das in Zusammenarbeitz mit dem ISMPS veranstaltet wurde. Das Musikschaffen mosambikanischer Musiker, die vielfach in Hauptstädten Europas und Amerikas leben und wirken, bietet sich für Studien globaler Kulturprozessen an. Es ist im Sinne der Rezeption und schöpferischen Verarbeitung internationaler Musiktendenzen, aber auch in seinen Bezügen zur traditionellen Musik und zur Musik anderer afrikanischer Regionen zu betrachten. Bei den Sitzungen wurden Musiker und Musikgruppen aus Mosambik besprochen, u.a. Kapa Dech, Mabulu, Eyuphuro, Ghorwane und Mc Roger. Von den europäischen Zentren mosambikanischen Kulturlebens in Europa wurde besonders Paris hervorgehoben. Die afro-galizische Erneuerungsbewegung NARF wurde angesprochen. Das Album Katcume (1998) von Kapa Dech (Paris) wurde auch in Hinblick auf dessen Rückwirkung auf Mosambik selbst näher betrachtet.


2004 | Ansätze der Cultural Studies in den Analysen globaler Kulturprozesse


Die kulturwissenschaftlichen Studien werden im ISMPS in engem Zusammenhang mit der Überprüfung der theoretischen Grundlagen und Fragestellungen der Forschung selbst durchgeführt. Hiermit fügt es sich in eine Entwicklung der Erneuerung der Kulturstudien ein, die auf ein 1968 in Brasilien gegründetes Forschungszentrum zurückgeht. Die im Rahmen des ISMPS angestellten Erwägungen und durchgeführten Untersuchungen ermöglichten die Berücksichtigung von Mosambik beim Oberseminar zu Cultural Studies, das 2003/04 am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Bonn durchgeführt wurde. Die Bedeutung von Kulturauffassungen in revolutionären Bewegungen wurde hervorgehoben. Politische Texte in Liedern wurden analysiert. Hinsichtlich der Musikforschung wurden u.a. die Arbeiten von Andrew Tracey in der International Library of African Music in Duban beachtet. Dabei wurde auch die Rezeption internationaler Tendenzen des musikethnologischen Denkens in der Erforschung der Musik Mosambiks besprochen. Die Rolle der Medien bei der Aufwertung von Musikern, Musikinstrumenten, Gattungen und Praktiken und die neuen technischen Möglichkeiten der Musikproduktion am Beispiel von Venancio Mbade wurden diskutiert. Die Vermittlung sozialkritischer Auffassungen in den verschiedenen einheimischen Sprachen sowie die politischen Dimensionen der Verwendung von Rhythmen mit ruralen Konnotationen wurden beachtet. Auch die begrenzten Möglichkeiten der Aufnahmetechnik in Mosambik wurden dabei berücksichtigt. So wurden Aufnahmen im Cine-Afrika produziert, die in Städten Südafrikas weiter verarbeitet wurden. Eine besondere Beachtung fand das Projekt Mosambik Relief 2000 von Eugene Pretorius und Kevin Starbuck.








Studienzyklen

Auswahl


2018 | Südafrika


2018 wurde eine Studienreise nach Südafrika mit anschließendem Studienzyklus vom ISMPS veranstaltet. 30 Jahre nach dem Bartolomeu-Dias-Jahr und 20 Jahre nach dem Vasco-da-Gama-Jahr sollten an Ort und Stelle und unter dem Eindruck der natürlichen Gegebenheiten die in den Quellen und der Literatur vermittelten Angaben erneut gelesen werden. Die Erinnerung und die Präsenz der fernen Vergangenheit in Südafrika sollten beobachtet, Denkmäler, Kulturzentren und Museen besucht werden.


Es stellte sich die Frage nach dem Gedächnis von Bartolomeu Dias (ca. 1450-1500) in einem englischsprachigen Land. Dazu wurden die Angaben in den Quellen über die Praia dos Vaqueiros in der Mossel Bay als Deutung der ersten Wahrnehmung der Einheimischen im Lichte der Bukolik von Virgil diskutiert. Deren Bedeutung für das Verständnis der Angaben über die Hottentotten in den Lusiaden von Luís de Camões (1524/25-1580)  wurde herausgestellt. Zu den Überlegungen zählte die sinnträchtige Umbenennung des Kap der unheilvollen Stürme (Tormentas) in Kap der Guten Hoffnung, die im Sinne der Vision von Gregor d.Gr. (ca. 540-604) über das Verhältnis zwischen Stürmen und guter Hoffnung gedeutet wurde. Die Gestalt des Giganten Adamastor und die Metamorphose der Thetis in den Lusiaden von L. de Camões lieferten Ansatzpunkte für die Lektüre der Bildersprache.


Die gegenwärtigen Tendenzen des Kultur- und Musiklebens sollten betrachtet werden. Die komplexe Geschichte Südafrikas durch die Ablösung dominierender europäischer Mächte – die Niederlande und England – sollte in ihren Zusammenhängen mit innerafrikanischen Entwicklungen und in Parallelen zu anderen Regionen der Welt studiert werden. Auch in Brasilien wurden portugiesisch geprägte Gebiete von den Holländern übernommen. Vor allem die Gegenwart mit der Vielzahl der ethnischen Bevölkerungsgruppen und ihren Tendenzen zur Aufwertung der Diversität sollte beachtet werden. Die gegenwärtigen Beziehungen zwischen Mosambik und Südafrika standen im Vordergrund des Interesses. Eine große Anzahl Mosambikaner arbeitet in den Minen Südafrikas. Wilderer aus Mosambik überschreiten durchlässige Grenzen des Nationalparks. Umweltfragen wurden in Zusammenhang mit Kullturprozessen reflektiert.


Materialien


África do Sul & Brasil: ultrapassagens de fronteiras e transpassagens de esferas em dois continentes nos seus diferentes sentidos e na sua problemática

Expressões culturais no empenho de superação de separações étnicas

A cidade „arco-iris“ - dimensões espirituais da superação de separações de grupos populacionais

Cores, transpassagens e gentrificação bairros de minorias étnicas e religiosas de raízes migratórias no exemplo do bairro malaio da Cidade do Cabo

Atributos caracterizadores do „nativo“ sul-africano em músicos ambulantes

Do presente ao passado: o debate sobre a marimba em congadas de São Paulo

Exploração visual de aspectos existenciais da ultrapassagem de espaços nas relações Homem/Ambiente e Céus

Transplantações e aclimatações no espaço colonial holandês

Do Cabo das Tormentas ao da Boa Esperança

O „padrão de São Gregório“ em Port Elisabeth

A „Praia dos Vaqueiros“ na Angra de São Brás - Mossel Bay

Tensões e união de grupos populacionais em processos coloniais

Superação de separações raciais na atualidade nos seus pressupostos histórico-culturais

Townships na África do Sul em paralelos com favelas e bairros precários do Brasil

A tragédia da extinção de espécies no presente como problema cultural e civilizatório

Formação de identidades na África lusófona e estudos culturais nas relações Angola/Moçambique/Brasil

Projeto transatlântico e interamericano da A.B.E.

O "problema colonial" e a Liga das Nações

Cristianismo no Brasil e no Madagáscar

Águas do Atlântico, do Índico e Maria